Spielbericht "Frau Müller muss weg"

Zeitkind e. V.
Spielbericht "Frau Müller muss weg"

Meuterei auf dem Elternabend der Klasse 4b. Die Noten der Kinder haben sich zuletzt dramatisch verschlechtert, in drei Monaten gibt es die Zeugnisse, und die Zulassung der Kinder zum Gymnasium steht auf dem Spiel. Doch diese Entscheidung wollen die Eltern nicht tatenlos abwarten. Sie haben ihr Urteil gefällt und tragen ein Misstrauensvotum in der Tasche: Frau Müller, die Lehrerin, ist schuld. Sie muss weg. Die Klasse abgeben. Und zwar sofort, ehe sie die Zukunft der Kinder durch schlechte Zensurenvergabe vernichtet. Dass das Problem nicht bei den Schülern zu suchen ist, davon ist jeder der Anwesenden überzeugt. Doch Frau Müller, eine erfahrene und leidenschaftliche Lehrerin, wehrt sich. Denn im Gegensatz zu den Eltern, die davon überzeugt sind, dass ihre kleinen Lieblinge ganz besondere Persönlichkeiten und aufgeweckte Talente sind, stellt sich dies für Frau Müller im Unterricht ganz anders dar. Und haben nicht auch die Eltern so manches vernachlässigt? Die Fronten verhärten sich immer mehr, die Stimmung explodiert, das Klassenzimmer wird zu einem Schlachtfeld der Wortgefechte und Lebensentwürfe: Alles nur zum Wohle der Kinder…  Der renommierte Autor Lutz Hübner, Jahrgang 1964, betrachtet mit scharfzüngigem Witz, rasanten Dialogen und einem diabolischen Augenzwinkern das Desaster eines Elternabends. Und er zeigt, zu was Eltern imstande sind, wenn es um das vermeintliche Wohl des eigenen Kindes geht. 

Autor Lutz Hübner war schon 2002 der drittmeist gespielte Dramatiker auf deutschen Bühnen. Frau Müller muss weg (2010) ist seit zwölf Jahren ein Dauerbrenner. Die Verfilmung von Sönke Wortmann mit Anke Engelke als taffer, aber betrogener Elternklassensprecherin aus dem Jahr 2015 trägt inzwischen sein übriges dazu bei. Der Grund für diesen Erfolg liegt sicher darin, dass das Stück direkt aus der Alltagswelt seines Publikums schöpft. Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Lehrern sind ja ebenfalls ein Dauerbrenner und das Schulsystem wird mindestens genauso lang reformiert und diskutiert, wie das Stück gespielt wird. Hinzu kommt aber noch, dass unter der frechen, bunten Oberfläche ein tieferes Thema anklingt: Die Abstiegsängste der Mittelschicht und ihre oft geradezu grotesk anmutenden Versuche ihren verhätschelten Nachwuchs angesichts der Härte der Welt in Watte zu packen.

Die Gruppe Zeitkind hat mit „Frau Müller muss weg“ wieder einen Treffer gelandet. Auf der Bühne entsteht ein Elternabend, der direkt aus dem Leben gegriffen ist. Als Zuschauer findet man sich mitten im Geschehen wieder und erlebt eine heitere, zuweilen tragikomische Abrechnung mit den Schwächen von Lehrern und Eltern.  Dass die Eltern am Schluss die Gelackmeierten sind und die Lehrerin als Siegerin aus dem Geschehen hervorgeht, lässt einen eher nachdenklich zurück. Das Bühnenbild in Form eines Klassenzimmers mit gemalten Porträts der betreffenden Mitschüler (gemalt von einer echten Schulklasse) ist bestechend und gibt dem Geschehen den passenden Hintergrund. Bravo Zeitkind für die hervorragende Regie (Martin Cambeis) und das gekonnte Agieren der Darsteller – eine sehr gute Ensembleleistung!